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Lebensmittel richtig einfrieren

Matschig, trocken, zäh! Warum schmeckt Essen oft anders, wenn es einmal eingefroren war? Jeder macht es, aber wie geht es eigentlich richtig und warum? Das Verständnis für diese und andere Vorgänge sowie deren Interpretation ist eine zentrale Fragestellung, mit der sich die neue Welser FH-Professorin für Lebensmitteltechnik, Dr. Bettina Higl beschäftigt. Die aus Augsburg stammende Wissenschaftlerin hat an der TU München promoviert und große Industrieerfahrung sammeln können. Nun können die Welser FH-Studierenden von ihr profitieren.


Um das richtige Einfrieren beantworten zu können, ist ein umfassendes natur- als auch ingenieurwissenschaftliches Know-How erforderlich. „Denn in der Lebensmitteltechnologie geht es im Wesentlichen darum, physikalische, chemische und biologische Einflüsse auf das Lebensmittel und dessen Inhaltsstoffe zu verstehen und dann diese Kenntnisse in schonende, effiziente und sichere Verfahren und Anlagen umzusetzen“, erklärt die 37jährige Technologin.

Ziel dabei ist immer, den Charakter und Geschmack eines Lebensmittels zu optimieren. Gleichzeitig soll das Handling für den Verbraucher sehr einfach und die Herstellung effizient und umweltschonend sein.

Jeder von uns hat eine Gefriertruhe zuhause, um dort Lebensmittel über einen längeren Zeitraum zu lagern. Aber was passiert eigentlich mit dem Lebensmittel während des Gefrierprozesses und während der Lagerung im gefrorenen Zustand? Und wie macht es eigentlich die Industrie?

„Beim Gefrieren müssen viele verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. Eine große Rolle spielen dabei die Zusammensetzung des Produktes selbst, die Vorbehandlung und die Gefrier- und Lagerbedingungen“, sagt die aus Augsburg stammende Higl, die jetzt nach Seewalchen gezogen ist.

Eingefrorene Lebensmittel sind nicht ewig haltbar

„Lebensmittel enthalten Mikroorganismen und Enzyme, die die Inhaltsstoffe biochemisch verändern. Das führt dann zum Verderb der Lebensmittel. Beim Gefrieren wird die Temperatur des Lebensmittels stark gesenkt, weshalb Mikroorganismen und Enzyme sehr viel langsamer arbeiten. Außerdem steht das zu Eis gefrorene Wasser nicht mehr für Abbaureaktionen zur Verfügung. Bis zum Verderb des Lebensmittels dauert es also sehr viel länger. Das heißt aber auch, dass Verderb im gefrorenen Lebensmittel trotzdem stattfindet. Somit sind Lebensmittel auch in der Gefriertruhe nicht ewig haltbar“, erklärt die Lebensmitteltechnologin.

Gemüse vor dem Einfrieren blanchieren

„Die Mikroorganismen und Enzyme werden durch das Gefrieren nicht zerstört und sind somit nach dem Auftauen auch wieder aktiv, in einigen Fällen vermehren sich Mikroorganismen unmittelbar nach dem Auftauen sogar explosionsartig. Es ist somit ratsam, Enzyme zu deaktivieren und die Anzahl an Mikroorganismen zu reduzieren indem man z.B. Gemüse vor dem Gefrieren kurzzeitig erhitzt – also blanchiert“, so Higl weiter.

Schockgefrieren hält Lebensmittel knackig

Der wesentliche Vorgang beim Gefrieren ist die Kristallisation des im Lebensmittel vorhandenen Wassers zu Eis. Die gebildeten Eiskristalle sind zu Beginn des Gefrierprozesses sehr klein und lagern sich dann im Laufe der Zeit zu größeren Kristallen zusammen, d.h. Eiskristalle wachsen in der Gefriertruhe.

„Nachteilig wirken sich diese Kristalle dann aus, wenn sie zu groß werden und dadurch Zellwände im Fleisch oder in pflanzlichen Lebensmitteln zerstören. In der Folge tritt dann Wasser aus, wodurch das aufgetaute Lebensmittel dann trocken bzw. matschig aussieht und schmeckt“, so Bettina Higl. Das Ziel beim Einfrieren und bei der Gefrierlagerung ist also, so schnell wie möglich zu gefrieren, um kleine Kristalle zu erzeugen und dann bei einer möglichst niedrigen Temperatur zu lagern.

Die Lebensmittelindustrie wendet hier z.B. das sog. Schockgefrieren mit flüssigem Stickstoff an. Dabei werden die Produkte bei -196 °C blitzschnell innerhalb weniger Sekunden eingefroren und es entstehen sehr kleine Eiskristalle, die für eine mechanische Zerstörung von Zellen zu klein sind. Der flüssige Stickstoff verdampft dabei vollständig und ist für Menschen ungefährlich.

Kristallbildung durch natürliche Zusätze steuern

Eine weitere Möglichkeit, um die Kristallbildung zu steuern, stellt der Zusatz von speziellen Schutzstoffen dar. Hier konzentriert sich die Forschung darauf, den Schutzmechanismus der Substanzen zu ermitteln, um dann gezielt Schutzstoffe zusetzen zu können, die das Produkt im gefrorenen Zustand stabilisieren. Damit weist es nach dem Auftauen keine Veränderungen auf. Als Schutzstoffe kommen z.B. Zucker oder Proteine infrage. Das sind Substanzen, die in der Natur vorkommen und derer sich Zellen, die an extrem niedrige Temperaturen angepasst sind, bereits natürlicherweise bedienen.

Anlagen für die Lebensmittelindustrie

Mit der Kenntnis über die Zusammenhänge zwischen Gefrierprozess und dessen Einfluss auf Lebensmittel geht es im nächsten Schritt an die Entwicklung von effizienten und schonenden Verfahren und deren Umsetzung in den industriellen Maßstab. Hier benötigt man nun die richtigen Anlagen, um das bestmögliche Produkt für den Konsumenten herstellen zu können. „Eine Sahnetorte muss anders eingefroren werden wie Erbsen oder Pommes Frites. Nebenbei müssen diese Anlagen ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll betrieben werden“, berichtet die neue Welser FH-Professorin.

Verpackung muss vor Austrocknung schützen

Mit den Verfahren und Anlagen allein ist es allerdings noch nicht getan. Auch an die Verpackung des Lebensmittels werden bei der industriellen Herstellung gefrorener Lebensmittel hohe Anforderungen gestellt. „Es müssen einerseits Materialien entwickelt werden, die eine Dampfbarriere darstellen, um das Lebensmittel vor Austrocknung zu schützen. Gleichzeitig muss das Material mechanisch und chemisch über einen weiten Temperaturbereich so stabil sein, dass es sowohl bei Tiefkühltemperaturen von -30 °C als auch bei Temperaturen bis zu 200 °C nicht aufreißt, wenn das Lebensmittel in der Verpackung erhitzt wird“, erklärt Bettina Higl.

Große Industrieerfahrung

Dr.-Ing. Bettina Higl hat kürzlich die neue Professur für Lebensmitteltechnik an der FH OÖ Fakultät für Technik und Angewandte Naturwissenschaften in Wels angetreten. Die aus Augsburg in Bayern stammende Wissenschaftlerin hat an der TU München Technologie und Biotechnologie der Lebensmittel studiert und am Lehrstuhl für Lebensmittelverfahrenstechnik und Bioprozesstechnik der TU München zum Doktor promoviert. Ihre wissenschaftliche Arbeit fand zahlreichen Niederschlag in internationalen Konferenz- und Journalbeiträgen. Industrieerfahrung sammelte sie anschließend als Projektingenieurin bei Merck, Sharp & Dohme, im Forschungslabor des Nestlé Research Centers in Lausanne (Schweiz) im Bereich Produktentwicklung und bei der Firma Sandoz als technische Leiterin. Die Welser Lebensmitteltechologie-Studierenden können nun von einer innovativen, praxisorientierten Wissenschaftlerin profitieren.

Nähere Informationen

Nähere Infos zum FH-Studium Lebensmitteltechnologie und Ernährung finden Interessierte am Tag der offenen Tür am Freitag, 17. März oder unter www.fh-ooe.at/lte

Dr.-Ing. Bettina Higl (Bildquelle: FH OÖ, Abdruck honorarfrei)

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